Liebe Freunde unseres Blogs,
heute möchten wir Euch sehr gerne eine wunderbare Geschichte erzählen, die wir mit einem Strassenhund aus unserer Nähe erleben durften. Ein Tropfen auf einen heissen Stein - aber genau auch diese kleinen Wunder wollen erzählt werden.
Wie Ihr alle inzwischen wisst, engagieren wir uns hier in Thailand nicht nur für Menschen in Not, sondern auch für die zahllosen Streuner und Strassenhunde, die fast an jeder Ecke an den Strassen sitzen und nach Futter oder gar einem neuen Herrchen Ausschau halten. So gibt es auch etwa 500 Meter von uns entfernt auf einem brachliegenden Grundstück (eigentlich mehr einer Mülldeponie) ein Rudel von etwa 8 Hunden, die wir seit einigen Monaten regelmässig füttern. Es ist ein bunt gemischtes Rudel an ausgesetzten und vernachlässigten Hunden, die sich wie überall zu einer Gruppe zusammenfinden. Hunde sind überhaupt nicht gern alleine und gesellen sich - wenn Menschen sie schon nicht wollen - gerne untereinander in hierarchischen Verbänden. Diese Hunde haben alle ihre Erfahrungen mit Menschen machen müssen, und dies merkt man ihnen auch deutlich an. Sie sind scheu, misstrauisch bis heute und kommen nur an die gefüllten Futternäpfe, wenn wir ein paar Schritte zurücktreten.
Diese auf sich allein gestellten Strassenhunde kämpfen sich jeden Tag durch ihr trauriges Leben - von den Menschen im Stich gelassen, die als Buddhisten jedes Leben wertschätzen sollten. Die meisten dieser Rudel sind weder aggressiv noch auffällig, doch genau diese Vorurteile lassen die meisten Menschen einfach wegsehen. Natürlich kommt es immer wieder zu Zwischenfällen, wo Hunde auf Menschen losgehen - aber daran sind nie die Hunde schuld. Den "bösen" Hund gibt es nicht. Er folgt seinen Überlebensinstinkten und seinen Erfahrungen, solange er keine regelmässige Zuwendung von Menschen erfährt. Selbst Wölfe greifen nie Menschen an - es sei denn , sie werden provoziert oder sind am Verhungern und handeln dann aus letzter Not heraus.
Nun gab es in diesem von uns gefütterten Rudel einen Braunen Mischlingsrüden, wie sie zu hunderten in Hua Hin auf den Strassen herumstreunen. Nur war dieser offensichtlich der Boss im Rudel und zunehmend zutraulich. Zahlreiche Narben und Wunden am Kopf und über den ganzen Körper verteilt zeugten von den vielen Kämpfen, die er austragen musste, um auf der Strasse zu überleben. Den ausgesetzten Hunden geht es dabei meist wesentlich schlechter als den Hunden, die bereits als Welpen auf der Strasse gelebt haben. Dieser Bursche war aber ganz offensichtlich an Menschen gewöhnt. Er kam mit wedelnder Rute auf uns zu und kam bei jedem Füttern immer näher, bis wir ihn streicheln konnten. Da er immer als erster an die Näpfe ging und überall erst einmal einen Probe-Happen nahm, bevor die anderen Hunde sich näher wagten, nannten wir ihn kurzerhand "Sheriff". Der Boss im Ring, der mit der Pistole. Trotz seiner abgemagerten Gestalt wirkte er sehr kräftig und durchsetzungsfähig. Der Rest der Meute hielt einen gewissen Abstand zu ihm und wich seinen Blicken aus. Nach dem Fressen zogen sich alle bis auf Sheriff wieder zurück. Er blieb gerne noch bei uns und genoss ein wenig Zuwendung und manchmal noch ein Leckerli als Nachtisch. Er konnte sogar Pfötchen geben und verstand das "Sit"-Kommando. Also ein ehemaliger Menschenkamerad, der irgendwie auf der Strasse gelandet war. Er hatte eine wunderbar direkte, aber unaufdringliche und ruhige Art - gar nicht so nervös und immer auf dem Sprung wie der Rest des Rudels. Hätten wir nicht schon unsere zwei Hunde, wäre Sheriff jetzt bei uns zuhause und in Sicherheit. So ein Glück bei einer anderen Familie wünschten wir ihm jeden Tag, an dem wir ihn sahen.
Eines Tages trafen wir Sheriff an mit hängendem Kopf und blutender Schnauze. In seiner Oberlippe klaffte ein grosser Riss, und ein Fetzen Fleisch hing noch an der Wunde. Beim Versuch, etwas zu fressen, bohrte sich sein Fangzahn von innen durch das Loch in der Lippe und verfing sich darin, so dass er den Mund nicht mehr schliessen konnte und unter Schmerzen versuchte, den Zahn wieder aus der offenen Wunde zu befreien. Das konnten wir so nicht mit ansehen. Nach kurzer Beratung lockten wir Sheriff zu uns, und während des Streichelns griff ich behutsam unter seinen Bauch, um ihn vorsichtig anzuheben. Ein heikler Moment, denn er war ja verletzt und keiner weiss, wie dann ein Hund auf eine fremde Berührung dieser Art reagiert. Er schaute mich an und ich wusste irgendwie, dass er mir in dem Moment vertraute. So hob ich ihn hoch und trug ihn vorsichtig zum Auto. Er liess sich ohne Probleme auf den Rücksitz bugsieren, und ich fuhr los zur Tierklinik. Während der Fahrt redete ich mit ihm und versuchte, ihn mit einer Hand hinter dem Fahrersitz zu halten. Er drückte sich vorbei - und plötzlich stand er mit wedelndem Schwanz zwischen den Vordersitzen, mit den Vorderpfoten auf der Mittelkonsole und schaute vorne aus dem Fenster. Trotz seiner klaffenden Wunde sah er happy aus und überstand die Fahrt in die Tierklinik ohne Probleme. Offensichtlich war er irgendwann einmal gerne und oft im Auto mitgefahren.
Nach umfangreicher Untersuchung stellte sich heraus, dass Sheriff im Grunde kerngesund war und lediglich die Wunde genäht werden musste. Er bekam einen Platz im hinteren Teil der Klinik zwischen anderen Patienten und hatte sogar ein Radio mit Thai-Musik neben seinem Käfig stehen. Am dritten Tag wurde seine Wunde innen und aussen vernäht. Wir besuchten ihn jeden Tag, und er begrüsste uns immer freudig und mit wedelndem Schwanz. Schnell wurde er auch zum Liebling des Klinik-Personals, wie uns erzählt wurde. Er war wohl so dankbar, wieder unter Menschen zu sein, dass er dies alle Leute um ihn herum spüren liess. Ich nahm ihn mit zum Spaziergang in einem kleinen Aussenbereich der Klinik und mir wurde klar, dass ich diesen Hund nie mehr auf die Strasse zurück bringen könnte. So sehr suchte er die Nähe der Menschen, dass er sich fast wie eine schnurrende Katze an die Beine der Leute um ihn herum schmiegte. Nein, das bringt niemand mit einem Herzen fertig, einen solchen Kerl wieder auf die Strasse zu setzen. Es musste eine Lösung gefunden werden.
Sheriff sollte noch ein paar Tage zur Nachsorge in der Klinik bleiben. Wir hatten also nur wenig Zeit, eine Lösung für ihn zu finden. Ich sprach mit unseren deutschsprachigen Bekannten und annoncierte in diversen Facebook-Gruppen. Auch mit dem Klinikpersonal sprach ich und bat darum, sich um einen Platz für diesen wunderbaren Hund zu bemühen. Eine Thai-Familie hatte wohl schon Interesse bekundet, aber leider blieb es beim mündlichen Interesse. Wir selbst wissen natürlich, dass es nahezu unmöglich ist, einen Hund wie ihn gut unterzubringen. Die vielen privaten Auffangstationen sind selbst schon am Anschlag, und einen ausgewachsenen Mischlingsrüden wollen die Wenigsten als Buddy zuhause. Die Uhr tickte und uns gingen langsam die Ideen aus.
Dann wurde ich an unserem Frühschoppen der deutschsprachigen Community angesprochen, dass es da ein Schweizer Paar gäbe, das einen neuen Hund suchen würde. Rasch wurde der Kontakt hergestellt, und es keimte neue Hoffnung für Sheriff auf. Das Paar hatte vor kurzem seinen geliebten Hund verloren und wollte nun einen bedürftigen neuen Vierbeiner in die Familie aufnehmen. Ich durfte die beiden sehr sympathischen Menschen gleich kennenlernen, und so ging es bereits kurz darauf gemeinsam zu Sheriff in die Klinik.
Wenn ich selbst auch für "Liebe auf den ersten Blick" nicht mehr viel übrig habe - aber das, was ich dann erleben durfte, lässt sich nur als solche beschreiben. Der Hund ging sofort auf den Mann zu und schaute ihm sehr lange in die Augen. Dann wedelte er mit dem Schwanz und legte seinen Kopf in seine Hände. Genussvoll liess er sich beim Knabbern der mitgebrachten Leckerli streicheln, und es war ganz offensichtlich um die beiden geschehen. Mir ging das Herz auf und ich blickte kurz nach oben in den Blauen Himmel für einen kleinen Wunsch. Beim Verabschieden sah ich dann auch, wie sich Augen mit Wasser füllten und ich nicht der einzige war, dem die Gefühle gerade übergelaufen waren vor Glück.
Zwei Nächte und weitere, festigende Besuche später war es dann ausgesprochen und beschlossene Sache: Sheriff wird ein neues und sehr liebevolles Zuhause bekommen!
Nur wenige Tage später durften die neuen Eltern ihren Sheriff endlich mit nach Hause nehmen. Das neue Herrchen hatte eine tolle Idee und verbrachte zunächst ein paar Tage in einer Hunde-freundlichen Pension etwas ausserhalb direkt am Meer. Die beiden Jungs freundeten sich schnell an - ja, und aus Sheriff wurde schliesslich "Rocky". Ein toller Name, den unser tapferer Kämpfer sich redlich verdient hat. Rocky und seine neuen "Eltern" sind inzwischen unzertrennlich. Ich durfte sie bereits besuchen und sehen, wie gut es allen zusammen geht. Wir sind überglücklich, zusammen mit allen Beteiligten, dass diese Geschichte so wunderbar ausging.
Epilog dazu:
Vor wenigen Tagen war Ye-Soon wieder beim Füttern des restlichen Rudels am Müllplatz. Dort wurde sie von einem jungen Mann angesprochen, ob sie denn wüsste, was mit dem fehlenden Braunen Hund passiert sei. Er hätte auch immer wieder nach den Hunden gesehen und diesen einen, zutraulichen Hund seit einiger Zeit vermisst. Er nannte ihn "Walter" und hatte mit dem Schlimmsten gerechnet. Aber als wir ihm freudig die Geschichte erzählten und Fotos von Walter-Sheriff-Rockys neuem Leben zeigten, fiel ihm ein Stein vom Herzen. Wieder ein Mensch mehr, den wir so glücklich sehen durften.
Die Welt ist nicht ganz so schlimm wie es momentan scheint - solange immer wieder diese kleinen Wunder passieren.
Danke für Euer Interesse und bis bald.
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