Der erste Monat ist schon rum

Ich schaue gerade auf den Kalender, was ich derzeit eigentlich täglich machen muss - so viele Termine fliegen uns gerade um die Ohren. Aber echt - ist es schon vier Wochen her, seit wir hier gestartet sind? Es fühlt sich an, als würden wir schon viel länger hier leben. Die Wärme macht uns nicht mehr viel aus, wir kennen die wichtigsten Läden, haben erste Kontakte zu anderen Auswanderern geknüpft, fahren inzwischen unser eigenes Auto und der Roller ist bestellt. Entgegen unserer ursprünglichen Vorsätze mussten wir uns nun doch ein Auto anschaffen, da wir derzeit recht weit ausserhalb der City leben und die Fahrt mit dem Roller im Dunkeln (jaa es wird hier stockfinster um 19 Uhr und keine Strassenbeleuchtung!) ist keine wirkliche Freude. Es geht uns blendend, wir haben gesundheitlich sehr von dem Wechsel profitiert - obwohl wir ja eigentlich beide gesund sind. Es fühlt sich einfach alles geschmeidiger an, man bewegt sich viel lieber, ist mehr draussen. Gestern standen wir bei einer Routine-Untersuchung im Krankenhaus auf der Waage und - judihuiii - die ersten drei Kilo sind weg (bei JEDEM, wohlgemerkt!). Soweit zum Befinden.

Wie Eingangs schon angeklungen ist unser Kalender derzeit voller als noch zu beruflichen Zeiten. Thailand ist ein Land der Bürokratie und der Papierkram nimmt kein Ende. Wir hatten uns natürlich vorbereitet und alle Infos zu den wichtigsten Behördengängen schon eingeholt. Aber wie es dann tatsächlich zumeist haarsträubend zugeht, kann man sich nur schwer vorstellen. Als ehemaliger Prozessmanager und Ablauf-Optimierer rollen sich mir oft die Fussnägel (immer schön lächeln dabei!) und ich beisse dabei leise weinend in meine Faust. Die einzige Ausnahme bisher war das Spital. Hier mussten wir uns für ein Gesundheitszeugnis zur Beantragung des Führerausweises einfinden. Wow das war perfekt! Wir wurden betreut von A bis Z, immer war jemand ansprechbar und verstand Englisch. Ratzfatz waren wir dort fertig, und unsere Stammdaten sind jetzt im Spital registriert, was eine prompt ausgehändigte Patientenkarte beweist. Kein Patient sass hier länger als 5 Minuten. Ganz anders bei den Behörden. Endlose Warteschlangen für einfachste Anträge, komplizierte, papierbasierende Abläufe, wenig Personal und unklare Wissensstände bei den Mitarbeitern machen das Leben nicht leicht.

die übliche Schlange im Immigration Office - jeder Ausländer muss hier regelmässig hin

Man bekommt zum Beispiel in einem Amt eine Auskunft, welche Unterlagen für einen Antrag einzureichen sind. Hat man alles dabei und tritt nochmals in die Warteschlange, wird einem dann erklärt (von einem anderen Sachbearbeiter), dass einige der Dokumente nicht gebraucht werden und andere dafür fehlen. Oder man braucht von Dokumenten 2 Sätze Fotokopien. Ok, können Sie das machen? Nein. Gehen Sie in den Kopiershop, der ist gleich da draussen. Wo? Gleich da (Finger zeigt ins Nirvana). Nach einer halben Stunde Suche in der Mittagssonne haben wir den Kopiershop gefunden: Ausserhalb des Gebäudes, ausserhalb des Geländes, ausserhalb des umzäunten Bereiches, verdeckt und unbeschriftet in einer Nische. Der "Shop" war eine containergrosse Bretterbude, wo drei Jugendliche auf Sofas gemütlich Bechersuppen schlürften. "Copy, Sir?" Ja genau. Ab nach hinten in den Hof, wo ein ausrangierter, wohl russischer KGB-Kopierer aus den 80ern quietschend unsere ersehnten Kopien in schmiergrau produzierte. Abkassiert und gleich wieder zurück in die Schlange im Amt. Bevor wir den Führerschein beantragen durften, mussten wir erst 30 km entfernt in ein anderes Office, um uns eine Genehmigung zum Erwerb des Führerscheines abzuholen. Und eine für den Kauf eines Autos. Ohne diese Amtspapiere gibt es für Ausländer in Thailand nichts zu holen. Überflüssig zu erwähnen, dass jedes Papier und jeder Stempel gehörig was kostet.

juhuu..so in 2 Stunden sind wir fertig hier!

Plötzlich öffnet sich eine Tür in der Führerscheinstelle, wieder in einem anderen Ort. Alle Ausländer rein und in einem Schulungsraum an die Tische verteilt. Es folgte ein etwa einstündiger Thailändischer Film über Unfallvermeidung. Gleich zu Beginn wurden ohne Filter die krassesten tödlichen Unfälle gezeigt, wo Menschen zerquetscht oder durch die Luft geschleudert und an Wände geworfen wurden - mit x-maliger Wiederholung. Das hat gesessen und man hört keinen Ton mehr. Thailand hat die höchste Verkehrstoten-Rate in der ganzen Welt. Aber ganz sicher nicht von Ausländern verursacht, die sich hier eher schüchtern und respektvoll durch das Chaos auf den Strassen tasten. Ein Thai muss zur praktischen Prüfung mit seinem eigenen Fahrzeug einmal im Kreis fahren und zwischen zwei Hütchen halten - fertig. Fahrschule auf den Strassen? Fehlanzeige. Man muss seine Augen wirklich überall haben, sonst kommt man keine hundert Meter weit. Ein Glück bin ich Schweizer - meine Augen scannen schon ganz automatisch alles ab wegen der vielen Blitzer damals!

zum Passfoto bitte nochmal anstellen!

In dem Film habe ich nur ein einziges Ding gelernt: Wenn man bei einer Frau an die Scheibe klopft, um sie darauf hinzuweisen, dass ihr Licht noch brennt, wird man von vier Schlägern brutal zusammengefaltet. Das sollte wohl eine witzige Szene zur Auflockerung sein, ist aber eher daneben gewesen.

So, alle Ausländer wieder raus in den Warteraum und auf Aufruf warten. Oh ich bin dran..endlich. Was ich bekomme ist eine Nummer - mal wieder. Ich werde noch fotografiert für den Führerausweis. Da lassen die Thais nichts anbrennen und akzeptieren auch nicht die mitgebrachten Profi-Fotos. Die Nummer 80 vor mir ist dran. Eine aufgemotzte Thaifrau wackelt zum Fotografen, richtet ihre Haare am Spiegel. Dann nimmt sie Platz. Nach 5 Minuten ist das Foto im Kasten. Plötzlich heisse Diskussionen hinter der Trennwand. Das Foto scheint der Dame nicht zu gefallen, obwohl es ja nur für den Führerausweis ist. Tatsächlich - nach längerem Lamentieren ist sie nochmals am Spiegel und fummelt in den Haaren. Kurz darauf ein Blitz und eine lächelnde Führerscheinanwärterin scheint nun zufrieden. Nach unseren schnell geschossenen Fotos heisst es wieder warten. Und dann ist es tatsächlich soweit: Wir halten beide unsere amtlichen Thailändischen Führerausweise in den Händen! Ich hab sogar zwei, denn Motorrad und Auto auf eine Karte, das geht ja in Thailand schonmal gar nicht! Hoffentlich hab ich dann künftig auf dem jeweiligen Fahrzeug den richtigen Ausweis dabei.

Ein Tag im Paradies kann wie im Fluge vergehen - oder nahe an der Verzweiflung in einer Warteschlange nicht enden wollen. Yin und Yang, Sonne und Wolken, Schwarz und Weiss - alles will in den Ausgleich. Aber diesen Preis zahlen wir, und danach gehts immer in den Pool, wo es leise zischt beim Hineinspringen und dann schnell alles schon wieder gut ist!